Kennen Sie Ihre Wünsche genau? Was würden Sie sich denn von der Wunschfee wünschen, wenn Sie genau einen Wunsch frei hätten? Was, wenn Sie nicht nur 10 Sekunden nachdenken dürften, sondern mehrere Minuten?
Neulich erhielt ich eine Einladung zu einer Veranstaltung mit einer Wunschfee. Es war zu Gast der Swami Soundso, der einen Heilsegen geben würde. Es sei schon zu Spontanheilungen gekommen. Es juckte mich, das auszuprobieren. Es war ja auch kostenlos, allenfalls eine Spende wurde erhoben. Und wer weiß, vielleicht konnte dieser Mensch wirklich Wunder vollbringen? In gewisser Weise ist ihm das gelungen…
Ich setzte mich während der Veranstaltung auf eins der Bodenkissen ganz vorn, mit dem Rücken zur Wand, wo ich sicher alles verstehen würde. Vielleicht würde ich hier vorn auch früher den Heilsegen bekommen.
Von dem Vortrag will ich nicht viel erzählen. Der Swami sprach relativ einfache Weisheiten aus, sowas wie: „Wir haben wenig Zeit hier auf Erden, daher ist es am besten, sie nicht mit negativen Emotionen wie Wut, Ärger und Kummer zu verschwenden, das lohnt sich nicht.“ Oder auch: „Ihr wollt 100 Prozent Entspannung? Dann müsst ihr vorher 100 Prozent Leistung erbringen.“ Eigentlich war es mehr eine Frage/Antwort-Spiel, auf das die Zuhörer aber nicht sehr begeistert reagierten.
Denken Sie an genau einen einzigen Wunsch!
Der Heilsegen sollte ganz zum Schluss stattfinden und zuvor leitete der Swami uns durch eine ruhige Meditation. „Lauscht den Geräuschen, nehmt sie einfach wahr, ohne zu bewerten“, hieß es, und wir lenkten unsere Aufmerksamkeit auf den Atem, schickten ihn nach und nach in jeden Körperteil, buchstäblich vom Fuß bis zum Kopf. Zur Überleitung auf den Heilsegen schärfte uns der Swami ein, dass wir uns innerlich auf genau einen Wunsch einstimmen sollten, nur einen!
Ich schloss die Augen, ich wusste natürlich, was ich wollte: „Klarheit für meinen weiteren Weg“. Ich dachte an all die Berufsideen, die ich in den letzten Monaten hatte, zuletzt sogar mithilfe eines Buchs über „Berufung finden“. Genau auf diesen Gedanken konzentrierte ich mich, vielleicht etwas zu angespannt, ich spürte meine Schultern etwas verkrampfen und begann die Verspannung mit meiner Ein- und Ausatmung zu lösen. Da ich in der ersten Reihe saß, dachte ich, der Swami müsste gleich vorbeikommen. Doch nach einigen Minuten öffnete ich ein Auge und sah, wie er bereits bei den Besuchern in der zweiten Stuhlreihe war. Er hatte sich also von der gegenüberliegenden Seite vorangearbeitet,war den Mittelgang entlang gegangen und würde deshalb erst zum Schluss wieder nach vorn kommen. Die Ersten auf dieser Seite würden also die Letzten sein.
Der Saal hatte sich außerdem im hinteren Bereich inzwischen noch stärker gefüllt, Männer, Frauen, Kinder. Sie alle würden vor mir drankommen.
Ich konzentrierte mich also wieder auf meinen Wunsch: „Ich will klar erkennen, was ich will.“ Aber es ist nicht so einfach den Wunsch festzuhalten. Meine Gedanken machten sich auf eine Wanderschaft, mir kam jemand in den Sinn, der Gesundheit brauchen könnte. „Und wenn ich nun Gesundheit für meine liebe X wünschen würde? Wäre das nicht ein toller Akt der Selbstlosigkeit?“, begann ich zu überlegen. „Warum willst du dich in das Leben von anderen einmischen?“ antwortete mir meine innere Stimme. „Kümmer dich mal um dich selbst!“ Ich blinzelte ein wenig, sah den Swami aus den Augenwinkeln immer noch in einer der hinteren Reihen.
Mein wichtigstes Thema, mein wichtigster Wunsch
Dann kreisten die Gedanken wieder um mich selbst und meine Situation. Was hinderte mich eigentlich daran, die Dinge voranzutreiben, das umzusetzen, was ich wollte? Es ist die Angst, kam die Antwort wie von selbst in meine Gedanken. Angst war mein Grundproblem. Sie war immer die Ursache für meine Vermeidungsstrategien, die Angst lähmt mich, eine Komfortzone zu verlassen. Ich bin schutzbedürftig, könnte ich es auch positiv formulieren. Aber ist Sicherheit nicht nur eine Illusion? Ich spürte, wie sich mein Nacken, meine ganze Körperhaltung Haltung entspannte, mit dem Ausatmen ließ ich mich innerlich noch mehr auf den Boden der Tatsachen sinken.
Mein Qigong-Lehrer würde wahrscheinlich sagen, „das ist typisch für dich, es passt alles zusammen: die Angst geht dir an die Nieren, und der Nierenfunktionskreis steht in Verbindung mit den Ohren“ (ich bin ja schwerhörig).
Wie musste nun mein Wunsch lauten? Ich begann im Kopf zu formulieren: “ Ich will frei sein von unnötigen Ängsten. Ich wünsche mir, dass ich die Angst loslassen kann. Lieber Gott, bitte hilf mir dabei, die Angst loszulassen, danke im Voraus.“ Na, jetzt lächeln Sie bestimmt. Aber als der Swami endlich an meiner Seite stand und mich am Kopf berührte, konzentrierte ich mich mit einem heiligen Ernst erneut auf meinen Wunsch:“Ich lasse die Angst jetzt los.“
Allein das Warten auf die Wunschfee offenbarte mir mein wichtigstes Problem und damit meinen wichtigsten Wunsch. Und in dem Moment, wo ich die Angst erkannte, verlor sie ihre Macht. Auch wenn das seltsam klingt, ich sagte mir, dass ich mich nun auch von ihr verabschieden konnte. Sie schwelte nicht mehr im Untergrund, sondern war an die Oberfläche gekommen. Ich sah sie, und ich sah, dass sie unnötig war. Fragen Sie mich nicht, welchen Anteil der Swami daran hatte? War er die Wunderfee? Oder war ich es selbst, weil ich die Zeit genutzt habe, um mich auf meinen wirklichen Wunsch zu konzentrieren. Jedenfalls vereinbarte ich am nächsten Tag einen Termin mit meiner Arbeitsberaterin. Wir werden dann einmal ernsthaft über das Thema Selbstständigkeit sprechen. Manchmal sind die Dinge einfach.