Farbe bekennen in der Bewerbung

Bild von See und Sonnenschein - auf Asphalt gemalt

Ein bunter Lebenslauf ist eine feine Sache: diverse Ausbildungen, Studienzeiten, Umbrüche, Auszeiten, Neuanfänge, Praktika, verschiedene Arbeitgeber, dazu viele Hobbys und Ehrenämter. Soviele Erfahrungen, soviele Talente, so ein vielseitiger Mensch! Freuen sich Arbeitgeber über diese erwiesene Flexibilität? Oder überwiegt die Befürchtung, dass ein solches Multitalent in der eigenen Firma fehl am Platze ist.

Ich glaube: Sowohl als auch. Das Bunte passt natürlich sehr gut ins Klischee der Künstler und der Werbebranche, während ein Sachbearbeiterposten eher seltener auf solche Paradiesvögel wartet. Wer sich auf eine ’normale‘ Stelle bewirbt, muss für die Arbeitgeber wohl ins ’normale‘ Bild passen.

Und häufige Richtungswechsel passen dann schwer ins übliche Bewerbungsschema. Haben also all die bunten Menschen keine Chancen als Angestellte – außerhalb der einschlägigen Branchen? Wie könnte eine Bewerbung gelingen, wie kann man Farbe zeigen, ohne die eigene Persönlichkeit zu verschleiern und sich zu verbiegen?

Patchwork-Lebensläufe sind heute normal

Ich meine, dass sehr viele Menschen heute bunte Erfahrungen vorweisen können. Patchwork-Lebensläufe sind doch an der Tagesordnung, man spricht auch schon von der Generation Praktika. Die Zeiten der lückenlosen Lebensläufe sind endgültig vorbei. Und es gibt ja auch keine sicheren Lebensstellen mehr.

Das mag beängstigen – kann aber auch befreien. Wenn schon der potenzielle Arbeitgeber keine sichere Stelle anbieten kann, warum soll ich ihm dann irgendetwas vormachen? Irgendeine lückenlose Karriere, irgendeine stromlinienförmige Ausrichtung auf genau diesen Job? Nein, wir dürfen ehrlich sein – es geht allenfalls um Lebensabschnitts-Jobs – in denen wir viel lernen können, von denen wir uns aber auch nicht abhängig machen dürfen. Wenn wir uns bewerben, dann mit der Persönlichkeit und den Zielen, die uns ausmachen.

Persönlichkeit zeigen – von Anfang an

Ich bewerbe mich zwar aktuell nicht, halte aber für alle Fälle immer meinen Lebenslauf parat. Und ich stelle fest, dass ich kaum mehr mit einem zwei oder drei Seiten langen tabellarischen Lebenslauf auskomme. Meistens muss ich die Schriftgröße verkleinern und hoffen, dass es dennoch lesbar und übersichtlich bleibt. Deshalb habe ich eine Rubrik „Was mich ausmacht“ auf der dritten Seite eingeführt. Ich kann auf diese Weise in wenigen Worten unterstreichen, wie mein Lebenslauf mit meiner Persönlichkeit zusammenhängt und warum es passt, dass ich mich für die jeweilige Stelle bewerbe. Außerdem ist es eine weitere Chance, den Menschen anzusprechen, der die Bewerbung liest.

Auch das Anschreiben ist eine Kunst für sich, wenn ich es auf eine Seite beschränken will. Immerhin sollen Hinweise zur Ausbildung und beruflichen Erfahrung hinein – und dazu noch die verschiedenen Punkte aus der Stellenbeschreibung. Bisher habe ich es nur geschafft, indem ich streng auswähle und mir überlege, was von all diesen bunten Erfahrungen den möglichen Arbeitgeber wohl am ehesten interessiert.

Die meisten Bewerbungsratgeber bringen das gut auf den Punkt:

  1. Gehe vor allem auf die Anforderungen ein, die in der Stellenausschreibung genannt werden.
  2. Sei authentisch, wenn du schreibst, warum dich die Stelle interessiert.
  3. Belege deine Ausführungen durch anschauliche Beispiele: Eigenschaften wie Teamfähigkeit z.B. kannst du damit belegen, dass du Kollegen bei hohem Arbeitsaufkommen schon immer gerne unterstützt hast oder ihnen auch mal eine Programmfunktion erklärst oder ähnliches – wenn es denn so ist.

Ehrlichkeit schützt

Und wie erzähle ich von mir, wenn ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalte? In einem Bewerbungsgespräch sagte der Personaler sinngemäß: „Bitte beschreiben Sie doch mal kurz Ihren Werdegang und die verschiedenen Berufsstationen idealerweise so, dass Sie heute nun genau hier bei uns sind.“ Worauf ich erst mal kräftig schlucken und – wie ertappt – lächeln musste. Das hat er bestimmt auch gesehen. Ich habe dann ziemlich viel, ziemlich lang erzählt, bis ich das Gefühl hatte, dass ich zu weit vom Thema abschweife, und es wurde schwer, dann tatsächlich zu diesem Job zurückzukommen. Die Stelle habe ich damals nicht bekommen.

Ich bin da wohl einfach zu offen. Wenn ich eine solche Aufforderung höre, die in meinen Augen einfach nicht ernst gemeint sein kann, dann muss ich darüber lächeln – ganz unwillkürlich, unverstellt. Trotzdem habe ich versucht, das Unmögliche umzusetzen. Aber wahrscheinlich besteht die Chance darin, hier wirklich offen zu sein. Dann hätte ich besser gesagt, dass es in meiner Erfahrung so ist, dass eben nicht alles im Leben immer folgerichtig aufeinander aufbaut. Und dann hätte ich einfach kurz die einzelnen Stationen in meinem Leben aufgeführt. Und am Ende hätte ich nochmal bekräftigt, was mich an dieser Stelle interessiert.

Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich mich nicht verbiegen, kann ich so sein, wie ich bin, verschwende keine Energie darin, eine Fassade zu erzeugen. Wenn ich ehrlich bin, bin ich mit mir im Reinen, und dann kann mir keiner was.

Vorstellungsgespräche sind leider Prüfungsszenarien. Es kommt dabei noch nicht mal auf die Antworten an. Es geht einfach darum, wie die Bewerber auf verschiedene Fragen reagieren. Jede Seite bereitet sich umfassend vor. Und natürlich möchte ich auch, dass der Arbeitgeber meine Bewerbung ausführlich liest, wenn ich schon soviel Arbeit hineinstecke. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass in den Bewerbungsverfahren immer öfter die Authentizität auf der Strecke bleibt. Lernen sich die beiden Seiten wirklich kennen? Der Arbeitgeber spielt sein Spiel und die Bewerber auf der anderen Seite ihres. Wie ehrlich sind Bewerbungsverfahren heutzutage?

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.